CRISPR (insbesondere CRISPR/Cas9)

Bisher unvorstellbare Therapien werden nun möglich durch die programmierbare Gen-Schere, deren Entdeckung mit einem Nobelpreis gewürdigt wurde.

Die CRISPR-Methoden gehören zu den Technologien der Gentherapien und werden aufgrund ihrer besonderen Bedeutung hier in einem eigenen Abschnitt betrachtet. Mit ihnen können Basenpaare an den gewünschten Stellen in der DNA eingefügt, verändert oder entfernt werden.

Was steckt hinter diesem eigenartigen Kürzel "CRISPR"? Diese Abkürzung steht ausgeschrieben für den englischen Ausdruck "Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats", was auf deutsch etwa "gehäuft auftretende, in regelmäßigen Abständen angeordnete, kurze palindromische Wiederholungen" bedeutet.1 2 Sie kennen den Begriff "Palindrom" vielleicht aus der Sprachwissenschaft. Dort versteht man unter einem Palindrom ein Wort, welches vorwärts und rückwärts gelesen den gleichen Text ergibt.3 Beispiele dafür sind die Worte "Otto", "Regallager" oder "Rentner". In der Genetik ist es ähnlich: Die Information wird in der DNA in Form von Basenpaaren (abgekürzt durch die Buchstaben "A", "T", "G" und "C") gespeichert. Als palindromische Sequenz versteht man dort eine kurze Aneinanderreihung (Sequenz) von Basenpaaren, welche rückwärts gelesen bei komplementärer Basenpaarung (also wenn man die jeweils "andere" Base des Paars betrachtet) die gleiche Basenfolge ergibt.4

Solche palindromische Sequenzen sind auf der DNA besonders einfach zu finden und werden daher von Proteinen genutzt, um bestimmte Stellen in der DNA zu erkennen und daran zu binden.5 Dabei handelt es sich um einen natürlichen Vorgang, welcher bereits seit vielen tausend Jahren ständig in unseren Zellen stattfindet. Diesen natürlichen Vorgang macht sich die CRISPR/Cas-Methode zu Nutze.

Abbildung: Mit CRISPR-Technologien können Erbinformationen verändert werden (Symbolbild)

Der CRISPR-Abschnitt kann eine bestimmte Basensequenz in dem zu verändernden Gen erkennen. Dafür hat er selbst eine bestimmte Basensequenz in sich integriert, die sogenannte "Guide RNA" (Guide = führen, lenken). Man kann dies am besten mit der Suchfunktion in einem Texteditor vergleichen. Dort kann man ein oder mehrere bekannte Wörter eingeben, um diese in einem längeren Text zu finden, und damit auch an die entsprechende Stelle im Text zu springen.

Bei der CRISPR/Cas9-Methode ist an den CRISPR-Abschnitt das sogenannte "Cas9-Protein" ("Cas" = kurz für CRISPR-assoziiert) gekoppelt. Das Cas9-Protein schneidet die DNA schließlich genau an jener Stelle, welche durch den CRISPR-Abschnitt gefunden wurde. An dieser Stelle können nun auch Teile der DNA entfernt, verändert oder hinzugefügt werden. Dies wird unterstützt durch die bestehenden Reparatursysteme, die in der Zelle ohnehin bereits vorhanden sind.6

Wenn man die beiden Elemente CRISPR und Cas9 also künstlich in der gewünschten Art und Weise herstellt und in die Zelle einführt, kann man damit den DNA-Code der Zelle beliebig editieren.

Dieser natürliche Mechanismus wurde in Bakterien entdeckt, welche die gleiche Vorgehensweise benutzen, um sich vor schädlichen Viren zu schützen. Die Bakterien "merken" sich auf einem CRISPR-Abschnitt die DNA von eindringenden Viren, und können bei einem erneuten Virenbefall die Viren-DNA über das Cas-Protein zerschneiden und damit unschädlich machen. Forscher haben herausgefunden, dass diese Methode nicht nur in Bakterien sondern z.B. auch in menschlichen Zellen funktioniert, und man damit eine programmierbare "Gen-Schere" zur Verfügung hat.7 Die erste wissenschaftliche Dokumentation zur Entwicklung und zum Einsatz der Methode wurde 2012 durch eine Arbeitsgruppe um Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna veröffentlicht. Die wissenschaftliche Fachzeitschrift "Science" hat die CRISPR-Methode zum "Breakthrough of the Year" (Durchbruch des Jahres) 2015 erklärt.8 Die Entwicklung dieser revolutionären Gen-Schere wurde schließlich im Oktober 2020 mit dem Chemie-Nobelpreis für die beiden Damen gewürdigt.9

Neben dem Cas9-Protein gibt es übrigens auch noch eine Reihe von weiteren Proteinen, die mit CRISPR ein gemeinsames System bilden können (z.B. Cpf1 (Cas12a), Cas12b, Cas13). Diese Systeme haben gewisse Vor- und Nachteile, doch sind sie in der Funktionsweise ähnlich.

Die CRISPR/Cas-Technologie ist also ein sehr mächtiges Werkzeug, mit dem eine ganze Reihe von Möglichkeiten entstehen, die bisher unvorstellbar waren. Zum einen kann es damit gelingen, Therapien für eine ganze Reihe von bisher unheilbaren Erbkrankheiten zu entwickeln. Auch bei der Züchtung von neuen Pflanzenarten oder bei der Entwicklung von besseren Antibiotika wird CRISPR/Cas eine entscheidende Rolle spielen.10

Der aber wohl grundlegendste Vorteil der CRISPR/Cas-Technologie ist es, dass sie den Fortschritt erheblich beschleunigen kann, wenn es darum geht herauszufinden, was verschiedene Gene in verschiedenen Organismen wirklich tun. Dies ist äußerst wichtig, wenn man bedenkt, dass wir seit 2003 (seit der vollständigen Sequenzierung des menschlichen Genoms) zwar eine vollständige "Landkarte" des menschlichen Genoms haben, jedoch immer noch nicht genau wissen, welche Funktion eine Vielzahl von diesen Genen hat.11

Abbildung: Wie mit einer Schere kann CRISPR-Cas9 den DNA-Strang an der gewünschten Stelle schneiden (Symbolbild)

1 https://de.wikipedia.org/wiki/CRISPR

Seite "CRISPR". In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 2. September 2020, 08:32 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=CRISPR&oldid=203328210 (Abgerufen: 5. November 2020, 16:07 UTC)

2 https://www.spektrum.de/magazin/die-raetsel-des-crispr-cas-systems/1496901

Die Rätsel des CRISPR/Cas-Systems, Autor: Heidi Ledford (Spektrum.de), Stand: 20.09.2017, Abgerufen: 09.11.2020

3 https://de.wikipedia.org/wiki/Palindrom

Seite "Palindrom". In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 16. Oktober 2020, 19:13 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Palindrom&oldid=204609494 (Abgerufen: 5. November 2020, 16:07 UTC)

4 https://de.wikipedia.org/wiki/Palindromische_Sequenz

Seite "Palindromische Sequenz". In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 14. Juli 2019, 20:03 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Palindromische_Sequenz&oldid=190436322 (Abgerufen: 5. November 2020, 16:07 UTC)

5 https://de.wikipedia.org/wiki/Palindromische_Sequenz

Seite "Palindromische Sequenz". In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 14. Juli 2019, 20:03 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Palindromische_Sequenz&oldid=190436322 (Abgerufen: 5. November 2020, 16:07 UTC)

6 https://www.transgen.de/lexikon/1845.crispr-cas.html

CRISPR/Cas-System, Autor: i-bio Information Biowissenschaften, Stand: 09.04.2020, Abgerufen: 09.11.2020

7 https://www.transgen.de/lexikon/1845.crispr-cas.html

CRISPR/Cas-System, Autor: i-bio Information Biowissenschaften, Stand: 09.04.2020, Abgerufen: 09.11.2020

8 https://de.wikipedia.org/wiki/CRISPR/Cas-Methode

Seite "CRISPR/Cas-Methode". In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 8. Oktober 2020, 06:26 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=CRISPR/Cas-Methode&oldid=204358834 (Abgerufen: 5. November 2020, 16:07 UTC)

9 https://www.faz.net/aktuell/wissen/nobelpreise/chemie-nobelpreis-geht-an-genforscherinnen-charpentier-und-doudna-16990213.html

Chemie-Nobelpreis geht an Genforscherinnen Charpentier und Doudna, Autor: dpa (Frankfurter Allgemeine Zeitung), Stand: 07.10.2020, Abgerufen: 09.11.2020

10 https://www.vox.com/2018/7/23/17594864/crispr-cas9-gene-editing

A simple guide to CRISPR, one of the biggest science stories of the decade, Autor: Brad Plumer, Eliza Barclay, Julia Belluz, Umair Irfan (Vox), Stand: 27.12.2018, Abgerufen: 09.11.2020

11 https://www.vox.com/2018/7/23/17594864/crispr-cas9-gene-editing

A simple guide to CRISPR, one of the biggest science stories of the decade, Autor: Brad Plumer, Eliza Barclay, Julia Belluz, Umair Irfan (Vox), Stand: 27.12.2018, Abgerufen: 09.11.2020