Gentherapien
Die Fortschritte im Bereich der Gentherapie gehören zu den größten Erfolgen auf dem Gebiet der Biotechnologie in den vergangenen Jahren.
Die Erbinformation des Menschen (DNA) besteht aus etwa 3 Milliarden Basenpaaren (abgekürzt durch die Buchstaben "A", "T", "G" und "C"). Die Veränderung von nur einem oder wenigen dieser Basenpaare kann verheerende Folgen haben und zu schweren Erbkrankheiten führen.
Unter Gentherapien versteht man gezielte medizinische Eingriffe in die DNA, um solche Erbkrankheiten zu behandeln. Es werden also Basenpaare an den gewünschten Stellen eingefügt, verändert oder entfernt. Eine Reihe von schweren Erbkrankheiten können damit bereits heute erfolgreich behandelt werden. Solche gezielten Veränderungen könnten jedoch auch die Lebenszeit des Menschen verlängern. Beispielsweise handelt es sich bei dem sogenannten "Methusalem-Gen" lediglich um eine Abweichung von zwei Basenpaaren auf dem FOXO3-Gen.
Die Liste der Erbkrankheiten ist lang. Es gibt über 10.000 verschiedene Erbkrankheiten, die jeweils nur auf die Veränderung in einem einzigen menschlichen Gen zurückzuführen sind.1 Einige bekannte Beispiele dafür sind die Huntington-Krankheit, Mukoviszidose, Sichelzellanämie und Spinale Muskelatrophie.2 Bis vor kurzem galten solche Erbkrankheiten als unheilbar. Ob man gute oder schlechte Gene hatte, war einzig und allein auf das Glück oder Unglück in der genetischen Lotterie des Lebens zurückzuführen. Doch die Fortschritte im Bereich der Gentherapie eröffnen die Möglichkeit, den genetischen Code der DNA gezielt zu beeinflussen und zu verändern.
Solche Techniken zur zielgerichteten Veränderung von DNA werden unter dem Begriff "Genom-Editierung" (englisch "Genome Editing", umgangssprachlich häufig auch "Gen-Schere" oder "Gen-Chrirurgie") zusammengefasst.3 Es gibt eine Reihe von Verfahren, um dies umzusetzen, z.B. Zinkfingernukleasen (ZFN) oder Transcription Activator-like Effector Nucleases (TALENs). Doch die absolute Revolution auf diesem Gebiet waren in den letzten Jahren die sogenannten "CRISPR"-Technologien (insbesondere die "CRISPR/Cas9"-Methode). Diese Methode ist einfacher zu handhaben, flexibler und außerdem auch billiger als frühere Methoden der Genom-Editierung.4 Die CRISPR-Technologie wird von Bill Faloon (unter anderem Gründer der "Life Extension Foundation") als potenziell ultimative Lösung auf dem Weg zur biologischen Altersbekämpfung bis zum Jahr 2030 angesehen.5
zur CRISPR-Technologie: siehe Artikel "CRISPR"
Ein umfangreiches Verständnis über das menschliche Genom sowie die biologischen Werkzeuge um gewünschte Änderungen darin zielgenau, effektiv und günstig durchführen zu können sind der Schlüssel zum Erfolg zur Lösung von den wichtigsten Kennzeichen des Alterns.
Der bekannte Bioinformatiker und Biogerontologe Aubrey de Grey sagt, dass zur Entwicklung von Produkten gegen das Altern und zur biologischen Verjüngung des Körpers besonders gute Gentherapie-Technologien erforderlich sind, um auf den Menschen angewendet zu werden. Er erwähnt, dass die derzeitigen Methoden der Genom-Editierung immer noch recht primitiv sind. Sie sind nur in der Lage, einen sehr kleinen Teil der Zellen im Körper genetisch zu verändern, und bringen auch noch hohe Risiken und Gefahren mit sich.6
Die Entwicklung von Gentherapien hat jedoch eine große Zukunft vor sich: Im Jahr 2019 befinden sich bereits fünf Gentherapieprodukte auf dem Markt. Die US-Arzneimittelbehörde (FDA) prognostiziert, dass um das Jahr 2025 herum jedes Jahr zwischen 10 und 20 weitere Gentherapiebehandlungen auf den Markt kommen werden.7
Die großartigen Möglichkeiten aber auch die Probleme mit diesen Technologien können anhand der Behandlung der spinalen Muskelatrophie gezeigt werden. Es handelt sich dabei um einen Muskelschwund, der bei nur etwa einem vom 10.000 Neugeborenen auftritt. Die Krankheit kann in unterschiedlichen Schweregraden auftreten, beispielsweise kann dadurch das Gehen ohne Hilfe nicht mehr möglich sein.8 Inzwischen gibt es eine Gentherapie, mit welcher das fehlende oder beschädigte Gen SMN1 in die Körperzellen eingeschleust wird, und diese Krankheit damit erfolgreich behandelt werden kann. Das Medikament muss nur ein einziges mal als Infusion verabreicht werden, um die erstaunliche Wirkung zu erreichen. Doch die Entwicklungskosten für diese Gentherapie waren sehr hoch, und es gibt nur verhältnismäßig wenige Patienten, auf welche diese hohen Entwicklungskosten aufgeteilt werden können. Das Medikament wird daher auch als "teuerstes Arzneimittel der Welt" bezeichnet, mit Kosten von über 2 Millionen US-Dollar für nur eine einzige Spritze.9 Man erkennt hier aber auch: Wenn es Gentherapien gibt, welche nicht eine seltene Erbkrankheit sondern das Altern allgemein als Ziel der Behandlung hätten, dann wären die Kosten dieser Arzneimittel wohl wesentlich günstiger. Die Entwicklungskosten könnten hier auf viel mehr Patienten aufgeteilt werden, weil das Altern ein Problem ist, was nicht nur wenige sondern praktisch jeden von uns betrifft.
Es gibt derzeit auch noch Probleme mit diesen Technologien, für welche Lösungen gefunden werden müssen. Beispielsweise treten gelegentlich noch sogenannte "Off-Target-Schnitte" auf, also Genom-Veränderungen an ungenauen oder ungewünschten Stellen.10 Es gibt auch Kritik, dass die Entwicklung der Genom-Editierung manchmal zu schnell oder zu weit geht. Beispielsweise könnte es dadurch möglich werden, sogenannte "Designer-Babies" zu entwicklen, also Kinder, die ganz nach den Wünschen und Vorstellungen der Eltern gestaltet werden.11 Vor allem bei Eingriffen in der Keimbahn ist bei einer so neuen Technologie besondere Vorsicht geboten. Schließlich werden Änderungen in der Keimbahn nicht nur im behandelten Patienten (in diesem Fall das neugeborene Kind) wirksam, sondern werden auch an die nachfolgenden Generationen weitergegeben. Im Laufe von einigen Generationen kann sich das veränderte Erbgut unter so vielen Menschen streuen, dass eines Tages sogar die gesamte Weltbevölkerung davon betroffen sein könnte. Es wird bei Eingriffen in die Keimbahn daher auch von der "Büchse der Pandora" gesprochen, die man besser nicht (oder zumindest noch nicht) öffnen sollte.12
Bei allen Möglichkeiten und Risiken, welche diese Technik bietet, kann man aus heutiger Sicht schon eines vorweg nehmen: Die 2020er werden wohl als das große Jahrzehnt der Gentherapie in die Geschichte eingehen und große Teile unserer heutigen Medizin auf eine revolutionäre Weise verändern.
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1 https://youtu.be/TquJyz7tGfk?t=6480
3 https://en.wikipedia.org/wiki/Off-target_genome_editing
4 https://www.vox.com/2018/7/23/17594864/crispr-cas9-gene-editing
5 https://www.mobilegeeks.de/artikel/genmanipulierte-babys-die-buechse-der-pandora-ist-geoeffnet/
6 https://www.labiotech.eu/features/crispr-cas9-review-gene-editing-tool/
7 https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Erbkrankheiten
8 https://de.wikipedia.org/wiki/Spinale_Muskelatrophie
10 https://de.wikipedia.org/wiki/Genome_Editing
11 https://www.spektrum.de/magazin/die-raetsel-des-crispr-cas-systems/1496901
12 https://youtu.be/5feuxNa_QPc?t=160