Telomere: Schutzkappen an den Chromosomen

Telomere sind die schützenden Enden an den Chromosomen, welche verhindern, dass Teile der Erbinformation beim Kopieren der DNA verloren gehen.

Wenn sich Zellen in unserem Körper immer wieder teilen, dann muss auch die darin enthaltene Erbinformation (DNA) immer wieder verdoppelt werden. Doch bei diesem Kopiervorgang gibt es ein Problem. Ein kurzes Stück der Information am Ende des DNA-Strangs kann nicht mitkopiert werden, weil die DNA-Polymerase (das Enzym, welches die Kopierarbeit erledigt) am Folgestrang nicht mehr ansetzen kann.1 2 Der Strang wird also bei jeder Zellkernteilung etwas kürzer. Es droht damit die Gefahr, dass Erbinformation verloren geht.

Um diesem Verlust vorzubeugen, hat die Natur am Ende der Chromosomen zum Schutz die Telomere vorgesehen. Das Wort Telomer setzt sich aus den beiden griechischen Wörtern "télos" (Ende) und "méros" (Teil) zusammen.3 Bildlich gesprochen kann man sich die Telomere etwa wie die umsiegelten Schutzkappen an den Enden von Schnürsenkeln vorstellen, die ebenfalls eine schützende Funktion für die Bänder bieten.

Bei den Telomeren handelt es sich um einen Abschnitt am Ende des DNA-Strangs in den Chromosomen, welcher aus bis zu 3300 Wiederholungen der DNA-Sequenz "TTAGGG" bestehen kann.4 Nachdem hier immer wieder die gleiche Sequenz von Basenpaaren wiederholt wird, sind auf diesem Abschnitt der DNA keine wichtigen Erbinformationen gespeichert. Deshalb ist es zunächst kein Problem, wenn dieser Abschnitt mit jeder Zellteilung etwas kürzer wird.

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Abbildung: Telomere an den Enden eines Chromosoms

Nach einer gewissen Anzahl von Zellteilungen sind jedoch auch diese Schutzkappen "aufgebraucht". Wenn dann noch weitere Zellteilungen erfolgen, dann wird der programmierte Zelltod (Apoptose) eingeleitet. Man nennt diese begrenzte Anzahl von Zellteilungen auch "Hayflick-Grenze" (englisch "Hayflick limit"), benannt nach Leonhard Hayflick, der dieses Limit 1961 entdeckte.

Nun bedeutet der Zelltod von einigen wenigen Zellen im Körper natürlich nicht, dass gleich der ganze Mensch daran stirbt. Im Gegenteil: Der programmierte Zelltod ist absolut notwendig, weil eine unkontrollierte Vermehrung und das wuchernde Wachstum von Zellen nämlich Krebs bedeuten würde.5 In unserem Körper sterben daher jeden Tag viele Zellen ab und neue werden wieder gebildet. Das Gleichgewicht zwischen Zellwachstum und Zelltod spielt eine wichtige Rolle für die biologische Entwicklung eines Lebewesens.6

Wenn jedoch aufgrund von zu kurzen Telomeren zu viele Zellen absterben oder ihr Wachstum einstellen und sich nicht mehr teilen (zelluläre Seneszenz), dann steigt damit die Wahrscheinlichkeit für ernste Gesundheitsprobleme oder den Tod des gesamten Organismus enorm an. Bill Andrews fasst diesen Sachverhalt in einem kurzen Satz zusammen: "Die schlechen Dinge passieren, wenn die Telomere kurz werden!" (englisch "Bad things happen, when telomeres get short!")7

Die Abnahme (die Verkürzung) der Telomere ist daher eines der neun "Kennzeichen des Alterns".8 Als Lösung wird die Reaktivierung der Telomerase vorgeschlagen.9

Die Telomerase ist ein Enzym des Zellkerns, welches die Telomere wiederherstellen kann. Dieses Enzym ist jedoch in den meisten Zellen unseres Körpers nicht mehr aktiv.10 Mit sogenannten Telomerase-Induzierern kann eine Reaktivierung der Telomerase und damit eine Verlängerung der Telomere erreicht werden. Allerdings ist eine wahllose Aktivität von Telomerase in allen Zellen nicht erwünscht.11

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Abbildung: Schnürsenkel mit Schutzkappen (Symbolbild)

Wir haben gehört, dass im Laufe der Zeit diese Telomere in den meisten Körperzellen kürzer werden, weil das Enzym Telomerase dort nicht aktiv ist. Es gibt aber auch Zellen, in denen das nicht der Fall ist.

Überlegen Sie bitte Folgendes: Am Anfang des Lebens eines Kindes (oder besser gesagt unmittelbar nach der Zeugung des Kindes) sind dessen Zellen noch nicht gealtert. Die Telomere haben zu diesem Zeitpunkt noch ihre volle Länge. Dies erscheint uns selbstverständlich, ist jedoch insofern bemerkenswert, weil die erste Zelle, aus der das Kind entsteht, schließlich aus der Verschmelzung von zwei Zellen von zwei Erwachsenen hervorgeht. Wenn also die beiden an der Verschmelzung beteiligten Zellen der beiden Eltern gealtert wären und verkürzte Telomere hätten, dann hätte auch die erste Zelle des Kindes unmittelbar nach der Zeugung bereits verkürzte Telomere. Das Kind könnte also nicht jung zur Welt kommen. Eine erfolgreiche Fortpflanzung über viele Generationen hinweg, so wie wir sie kennen, wäre damit unmöglich.

Nun, offensichtlich ist dies nicht der Fall, und dies liegt daran, dass in Keimbahnzellen das Enzym Telomerase aktiv ist, und diese Zellen daher nicht altern. Keimbahnzellen sind Zellen, die an der Fortpflanzung beteiligt sind und daher ihr genetisches Material an die nächsten Generationen weitergeben. Die Keimbahn umfasst also die Abfolge von Zellen, die zur Bildung der Keimdrüsen (Hoden und Eierstock) und der darin gebildeten Keimzellen (Spermien und Eizellen) führt.12 13 Eine Veränderung der Erbinformation in den Keimbahnzellen ist daher besonders schwerwiegend, weil diese Veränderung nicht nur in der einen Generation zur Geltung kommt, in der sie stattgefunden hat, sondern außerdem auch an alle nachkommenden Generationen weitergegeben wird. Auch in anderen Stammzellen und in bestimmten Arten von Immunzellen ist die Telomerase aktiv.14

Abbildung: Am Anfang des Lebens haben die Telomere noch ihre volle Länge (Symbolbild)

1 https://de.wikipedia.org/wiki/Telomer#Telomere_bei_der_Replikation

Seite "Telomer". In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 21. Oktober 2020, 11:06 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Telomer&oldid=204750497 (Abgerufen: 5. November 2020, 15:06 UTC)

2 https://de.wikipedia.org/wiki/DNA-Polymerase

Seite "DNA-Polymerasen". In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 20. Juli 2020, 14:42 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=DNA-Polymerasen&oldid=202057695 (Abgerufen: 5. November 2020, 15:06 UTC)

3 https://de.wikipedia.org/wiki/Telomer

Seite "Telomer". In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 21. Oktober 2020, 11:06 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Telomer&oldid=204750497 (Abgerufen: 5. November 2020, 15:06 UTC)

4 https://www.scientificamerican.com/article/anti-aging-pill-targets-telomeres/

Anti-Aging Pill Targets Telomeres at the Ends of Chromosomes, Autor: Mandy Kendrick (Scientific American), Stand: 17.08.2009, Abgerufen: 07.11.2020

5 https://de.wikipedia.org/wiki/Krebs_(Medizin)

Seite "Krebs (Medizin)". In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 25. Oktober 2020, 13:39 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Krebs_(Medizin)&oldid=204876913 (Abgerufen: 5. November 2020, 15:05 UTC)

6 https://flexikon.doccheck.com/de/Zelltod#Bedeutung

Zelltod, Autor: Dr. Frank Antwerpes, Nils Nicolay (DocCheck Flexikon), Stand: 22.06.2018, Abgerufen: 07.11.2020

7 https://youtu.be/XB3GJ9Pqvwg?t=287

Why We Age - Dr Bill Andrews Talk Part Two, Kanal: One Truth 818 Serum, Hochgeladen: 10.11.2016, Abgerufen: 05.11.2020

8 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3836174/#S7title

López-Otín C, Blasco MA, Partridge L, Serrano M, Kroemer G. The hallmarks of aging. Cell. 2013 Jun;153(6) 1194-1217. doi:10.1016/j.cell.2013.05.039. PMID: 23746838; PMCID: PMC3836174.

9 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3836174/#S39title

López-Otín C, Blasco MA, Partridge L, Serrano M, Kroemer G. The hallmarks of aging. Cell. 2013 Jun;153(6) 1194-1217. doi:10.1016/j.cell.2013.05.039. PMID: 23746838; PMCID: PMC3836174.

10 https://de.wikipedia.org/wiki/Telomerase

Seite "Telomerase". In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 1. September 2020, 10:35 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Telomerase&oldid=203302866 (Abgerufen: 5. November 2020, 15:04 UTC)

11 https://www.sciencedaily.com/releases/2018/02/180227142114.htm

Hidden secret of immortality enzyme telomerase, Autor: Arizona State University (ScienceDaily), Stand: 27.02.2018, Abgerufen: 07.11.2020

12 https://de.wikipedia.org/wiki/Keimbahn

Seite "Keimbahn". In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 14. Februar 2020, 12:34 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Keimbahn&oldid=196808210 (Abgerufen: 5. November 2020, 15:05 UTC)

13 https://de.wikipedia.org/wiki/Gonade

Seite "Gonade". In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 2. August 2020, 14:31 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Gonade&oldid=202439617 (Abgerufen: 5. November 2020, 15:05 UTC)

14 https://de.wikipedia.org/wiki/Telomerase

Seite "Telomerase". In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 1. September 2020, 10:35 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Telomerase&oldid=203302866 (Abgerufen: 5. November 2020, 15:04 UTC)